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TRADITIONELL IM KULTURELLEN KONTEXT

Margarita Koeva

web | Архитектурното наследство...

Das antike Theater in Plovdiv
Das antike Theater in Plovdiv

lm Laufe der Jahrtausende wurde die Balkanhalbinsel, die Europa mit Asien sowohl verbindet als auch trennt, von verschiedenen Völkern, Stämmen und Volksgruppen besiedelt, erobert, durchkreuzt und geplündert. Die historischen Kataklysmen haben hier ein Kulturmodell herausgebildet, das sich von europäischen und fernöstlichen Entwicklungsmodellen unterscheidet. Typologisch sind sie jenen Strukturen und jener Kulturentwicklung von Völkern ähnlich, die in den Zonen zwischen den großen Kulturarealen leben. Dies gilt beispielsweise für die lateinamerikanischen Länder, Armenien, Georgien, die Länder der Balkan - und der Iberischen Halbinsel und für einige Kleinstaaten im Fernen Osten.

Die unterschiedliche Geschwindigkeit, mit der die kulturhistorischen Prozesse im Osten und Westen verlaufen sind, bedingt die Eigentümlichkeit der Kultur auf dem Balkan. Während derselben physikalischen Zeit schichten sich hier verschiedene historische Zeiten auf, was die kulturelle Entwicklung ungleichmäßig, impulsiv und ohne lineare Kontinuität verlaufen lässt. Die Prozesse werden beschleunigt erlebt und bleiben deshalb oft unvollendet. Künstlerische Erscheinungen können keine stilistische Vollkommenheit erreichen und besitzen nicht den abgerundeten Charakter der europäischen Formen, die sich im Laufe von Jahrhunderten entwickelten.

Parallel dazu führten aber die vielen Einflüsse anderer Kulturen zu einer hohen ethnischen und Glaubenstoleranz sowie zur Akzeptanz moralischer Werte anderer Länder und Völker. Selbst militärische und politische Zusammenbrüche sind nicht im Stande, den Inhalt dieser Kultur zu zerstören. Sie verhindern indes eine geschlossene kulturelle Tradition. Dementsprechend sind die betroffenen Nationen gezwungen, ihre zerstörte Vergangenheit immer wieder mit Leben zu erfüllen. Sie haben spezifische Mechanismen für die schnelle Aneignung und Verarbeitung "des von außerhalb Importierten", insbesondere für die Trennung des Inhalts von der äußeren Form. Diese gesellschaftliche Fähigkeit hat eine besondere Mentalität entstehen lassen: Die Menschen der Balkanzone nehmen die sie umgebende Realität anders wahr als die Menschen Mittel-, Ost- und Westeuropas. In ihrer Weltanschauung sind das Unbekannte, das Mystische und das Magische wie das Rationale gleichermaßen vertreten. Deswegen nimmt sie keine klaren Formen an und lässt sich nur schwer kodifizieren. Der Holismus gehört zu den Hauptmerkmalen dieser Geisteshaltung, die für die Entstehung der besonderen Kultur verantwortlich ist. Das Denken, das die Welt als Ganzes, die Zeit als die parallele Mischung von Vergangenem, Gegenwärtigem und Zukünftigem, das Okkulte als nur vorübergehend Unbekanntes auffasst, lässt eine seltsame, reichhaltige Kulturwelt entstehen. Sie bedingt wiederum die Besonderheit jener kulturellen Entwicklung, die das Geistige mit dem Materiellen vereint - nämlich der Architektur.

Schwachpunkt vieler Untersuchungen zur Architekturgeschichte des europäischen Südostens ist der eng gesetzte territoriale Rahmen. Er verhindert, das Wesen der architektonischen Erscheinungen zu erkennen und in die historische Zeit und den europäischen historischen Raum richtig einzuordnen. Entwicklungen in der Architektur können nicht außerhalb des Kulturfeldes erkannt werden, dessen Schöpfung und Schöpfer die Architektur als materielle Verwirklichung einer Epoche ist. Deshalb soll hier das bulgarische Kulturmodell mit seinen historischen Veränderungen umrissen werden.

 

Vom Neolithikum bis Rom. Die kulturellen Veränderungen hängen stets vom Überlappen westlicher und östlicher Einflusssphären ab, das den architektonischen Prozess in größere Perioden unterteilt.

Kirche der Festung von Ivan Asen ll., 12.-14. Jh.
Kirche der Festung von Ivan Asen ll., 12.-14. Jh.

Materielle Überreste des Neolithikums veranlassen uns dazu, das dritte Jahrtausend vor Christi als Beginn der Zivilisation auf dem Balkan zu bestimmen. Das Grabmal von Karanovo und der Goldschatz von Varna zeugen von Siedlungen, der Fähigkeit Metalle zu verarbeiten, Schutzwalle zu errichten und Gegenstande von hohem künstlerischen Wert auszuarbeiten. Zwischen dem 12. und 6. Jahrhundert v. Chr. siedelten auf dem Gebiet des heutigen Bulgarien Thraker, ein Oberbegriff für vielzählige Stämme indogermanischer Abstammung, über die Herodot schreibt, dass sie zu den zahlreichsten Völkern, die er auf dieser Welt kennt, gehören1. Obwohl sie keine Schriftkultur besaßen, hinterließen die Thraker viele Baudenkmäler und Kunstgegenstände, die ihre Kultur von den griechischen Stämmen, in deren Nachbarschaft sie lebten, deutlich unterscheidet.

In der Zeit zwischen dem 8. und 6. Jahrhundert v. Chr. verließen griechische Kolonisatoren die Halbinsel und begannen, die Küste der Ägäis und des Schwarzen Meeres zu besiedeln.2 Zwischen dem 7. und 6. Jahrhundert gründeten sie eine Reihe von Kolonien entlang der Schwarzmeerküste. Die mit den autochthonen Völkern entstandene Symbiose existierte fast sieben Jahrhunderte lang. Die Mischung aus thrakischen Stämmen und anderen ethnischen Gruppen, das Nebeneinander von verschiedenen Religionen und Sitten prägten schon im tiefen Altertum die Grundzüge des Kulturmodells, das sich später in eine Gemeinschaft von Religionen, Kulturbräuchen, Mythologien und Riten ohne Dominanz einer Kultur über die andere entwickelte. Die auf Toleranz beruhende Vielfalt überdauerte die Kriegszüge von Darius 514 bis 512 v. Chr., von Philipp II. von Makedonien und von Alexander dem Großen im 4. Jahrhundert v. Chr, sie überdauerten die keltischen Überfalle im 3. Jahrhundert v. Chr., sogar die inneren militärischen Zusammenstöße zwischen dem thrakischen Reich der Odrissen mit Sevt III.

Aus diesen Zeiten stammen viele Siedlungen, deren Überreste die Grundlagen der heutigen bulgarischen Städte bilden, Tausende von Grabmalen und schließlich die Hauptstadt Sevtopolis, deren planmäßige Struktur auf griechische Stadtgründungen verweist. Es entstanden architektonische Kulturdenkmäler wie die Grabmale von Kazanlak und Swestarovo, und im Zusammenwirken mit der hellenistischen Kultur hervorragende Plastiken, die sogenannten "thrakischen Schätze".

Ihre endgültige Form als Zone zwischen Ost und West hat die Balkanhalbinsel erst nach ihrer Eroberung durch die Römer im 1. Jahrhundert v. Chr. angenommen, als Ordnung zum Ideal wurde und in ihrer Gesetzmäßigkeit universellen Charakter aufwies. Wie jede Kulturformation, die ihre eigenen Grenzen überschreitet, war die römische Kultur zugleich eine historisch geformte Ganzheit, die sich ständig durch Kontakte zu Kulturen anderer Völker veränderte. Ernsthafte Transformationen erlebte sie auf dem Territorium des antiken Griechenland, auf thrakischem Boden und in den Provinzen von Kleinasien, die nicht nur ernsthaften militärischen Widerstand leisteten, sondern denen es auch gelang, sich dem rationalen Denken und der strengen Verwaltungsordnung Roms, dem römischen Wertesystem und seiner Kodifizierung zu entziehen.

Auf dem Balkan stieß die römische Kultur auf eine schwer begreifliche "Unordnung", die aus dem Westen kommende Formen beständig modifizierte. Die Römer benannten alte Siedlungen neu, erbauten Verwaltungs - und Kulturgebäude, mit denen sie im Südosten eine neue Architekturtypologie einführten. Sie legten ein neues Straßennetz an und gründeten eine Reihe von Städten.3 Aber nicht nur die alten Siedlungen, sondern auch die neugegründeten sind keine genaue Wiederholung des römischen Modells"4.

Rila Kloster, 10. Jh. gegrьndet, heute Weltkulturerbe
Rila Kloster, 10. Jh. gegrundet, heute Weltkulturerbe

Auch die neuen Gebäudetypen änderten sich und passten sich dem veränderten Geschmack an. Die Ordnungssysteme wurden mit verschwenderischem Prunk - typisch für den Osten - "bereichert". Die reine Geometrie tritt hinter den kaum spürbaren Charme des Orientalischen zurück. In dem Pantheon der römischen Götter dringen thrakische und östliche Götter ein. Aus dem Osten kommt schließlich mit dem Christentum eine neue Religion: Die vom Apostel Paulus5 und seinen Mitstreitern auf die Balkanhalbinsel gebrachte Religion fand bald viele Nachfolger. Es ist kein Zufall, dass der römische Imperator, der mit dem Edikt von Mailand das Christentum anerkannte, auf der Balkanhalbinsel in der heutigen Stadt Nitsch geboren wurde. In der Zeit zwischen dem 4. und 7. Jahrhundert wurden im heutigen Bulgarien Tausende von christlichen Kathedralen errichtet - Basiliken, Baptisterien und Klöster, unter anderem die Rotunde des Heiligen Georgi und die Kathedrale der heiligen Sofia in Serdica. Die großen Basiliken im Zentrum von Trimonzium, das Klosterensemble der Roten Kirche beim heutigen Perustiza, die Basiliken von St. Vratsch sind wichtige Architekturdenkmale jener Zeit.

Die Balkankulturen wurden schließlich in die byzantinische Welt integriert6, die mit ihrem universellen Charakter die Grundprinzipien ihres Kulturmodells unangetastet ließ. Sie übernahmen die religiösen, weltanschaulichen und moralischen Kunstwerte und Normen von Byzanz, wobei gewisse "interne Territorien" für die eigenen Volkskulturen erhalten blieben. Eine wesentliche Rolle dabei spielten die Slawen, die allmählich zur Hauptbevölkerung des Balkans wurden. Die friedlichen Wellen ihrer Ansiedlung schluckten die Thraker, die Griechen und die Römer. Die slawische Sprache wurde zur Hauptsprache.

Kirche in Schiroka Laka. Typisches Beispiel einer Gebirgsarchitektur
Kirche in Schiroka Laka. Typisches Beispiel einer Gebirgsarchitektur

Als es im 7. Jahrhundert bulgarischen Stämmen unter Chan Asparoukh gelang, größere Territorien der byzantinischen Provinzen auf dem Balkan zu unterwerfen und 681 den ersten bulgarischen Staat zu gründen, hatten sie ein Bündnis mit den slawischen Stämmen geschlossen. Trotz der Militär - und Staatsorganisation, an deren Spitze Bulgaren standen, war die Hauptbevölkerung slawischer Abstammung. Dank der von den Protobulgaren verfochtenen Idee eines starken Balkanstaates gelang es dem Bündnis gegen den erbitterten Widerstand von Byzanz, die Entwicklung Bulgariens bis ins 14. Jahrhundert hinein zu lenken und sogar die zwei Jahrhunderte lang dauernde byzantinische Unterjochung von 1018 bis 1186 zu überstehen. Diese militärischen Auseinandersetzungen haben sich überraschenderweise nicht auf die durch die Ostkirche vereinte Kultursphäre übertragen7: In der Kultur des ersten und des zweiten bulgarischen Reiches wurden erfolgreich einheimische mit byzantinischen Traditionen verbunden, im Mittelalter wurden sie zu einer selbständigen Ganzheit und erlebten vom Ende des 12. bis in das 14. Jahrhundert ihre "goldene Zeit". Das Mittelalter schuf das Bild der "bulgarischen Stadt". Während die Siedlungen aus dem ersten bulgarischen Reich (681 bis 1018) Züge der römischen Stadtplanung bewahrten, spiegelten die Städte des zweiten bulgarischen Reichs (1186 bis 1396) die Verfassung des Staates und seine kulturelle Entwicklung wider. Die vielen Kriege zwangen der Stadt eine Burgform auf, in deren Kern die Bevölkerung aus der Region Obdach finden konnte. Insbesondere an den Staatsgrenzen und auf den großen Boljarenbesitztümern erhoben sich Festungen und befestigte Siedlungen. Auch die alten Handelsstädte wurden mit Mauern und Schutztürmen umgeben. Ein Beispiel für die Verbindung von Religion und Kultur stellt die Struktur der Hauptstadt Tarnovo dar: Sie ist in drei Teile gegliedert - der befestigte Stadtteil Zarevez - für den Zarenhof und die hohen Geistlichen gedacht, den Stadtteil Trapesiza - mit Boljarenhäusern und Familienkirchen und das Assenovaer Viertel - für Fernhändler, Handwerker und Juden. lm Tal zwischen Trapesiza und Zarevez befand sich das Kloster des Patriarchen, wo die bulgarischen Herrscher und die Gebeine der Heiligen des Zarenhofes und Bulgariens aufbewahrt wurden. In Tarnovo entstand eine selbständige künstlerische Schule, deren Literatur-, Kunst- und Schmuckwerke sowie Kirchenarchitektur auch weit außerhalb Bulgariens geschätzt wurden.

Das 14. Jahrhundert erweiterte den Einfluss bulgarischer Kultur. Die komplizierten Kontakte bulgarischer Herrscher zum lateinischen Reich8 ermöglichten engen Kontakt nach Westeuropa, wahrend die literarische Tradition und das slawische Schrifttum die Kontakte zu Russland begründeten9.

Kirche in Bansko, 19.Jh.

Kirche in Bansko, 19.Jh.
Kirche in Bansko, 19.Jh.

Das Ende des 14. Jahrhunderts brachte das Ende der Blüte der mittelalterlichen bulgarischen Kultur und die Kulturen der anderen Balkanvölker. Der Militärstaat der Osmanen eroberte den Balkan, der fast ein halbes Jahrtausend unter ihrer Herrschaft blieb. Nur die Lebens- und Anpassungsfähigkeit ihrer Kultur erlaubte es den Balkanvölkern, als Nation zu überleben. Günstig für ihr Überleben war die Tatsache, dass das Osmanische Reich aus verschiedenen Völkern und Stammesgruppen bestand, die durch die gemeinsame Religion und durch die Idee der Weltherrschaft des Islam vereint waren. Sie verfolgten nicht das Ziel, die unterjochten kulturellen Gemeinschaften zu assimilieren, da es ihnen selbst an gemeinsamer kultureller Tradition fehlte. Selbst als im 16. Jahrhundert eine elitäre hauptstädtische Kultur entstand, blieb sie in den einzelnen Teilen des riesengroßen Reiches ihrem Charakter nach eine Mischung von unterschiedlichen Kulturen. In diesem Raum konnten die Balkankulturen "in sich selbst" existieren und bildeten eine zweite "inoffizielle" Schicht. Als sich aber günstige politische Voraussetzungen ergaben, gelang es ihnen, den von der Unterjochung unterbrochenen historischen Faden "wiederaufzunehmen".

Osmanische Provinz

In der Blütezeit des Osmanischen Reiches, also im 15., 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts - musste die bulgarische Bevölkerung fast völlige Rechtlosigkeit ertragen10. Sie fanden Halt in zwei relativ selbständigen kulturellen Subsystemen: im Kirchlichen, das einen Teil der mittelalterlichen kulturellen Traditionen des bulgarischen Staates präsentierte und im Volkstümlichen, das fundierte Archetypen bewahrte. Schließlich zwangen die historischen Bedingungen die kirchliche Kultur die weitere Entwicklung von Architektur, Literatur, Malerei und Musik zu übernehmen. Sie bewahrte Schrifttum, Bau- und Kunsttraditionen, nahm den Kampf um die Aufklärung der Nation auf und wurde diejenige Kraft, die diese Nation einigte.

Dreieinigkeitskirche in Svischtov, 1865
Dreieinigkeitskirche in Svischtov, 1865

Wahrend in den europäischen Ländern der Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit durch die Entwicklung der städtischen, bürgerlichen Kultur vorangetrieben wurde, kam dieser Prozessauf dem Balkan durch die orthodoxe Kirchenkultur in Gang. Trotz wesentlicher Unterschiede können im 18. und 19. Jahrhundert auf bulgarischem Boden Prozesse beobachtet werden, deren Typologie europäischen Phänomenen im Übergang zur Neuzeit ähnelt.

"Wiedergeburt"

Als die militärischen Misserfolge des Osmanischen Reiches in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zur Änderung der Kräfteverhältnisse in Europa führte11, konnten die Bulgaren ihr wirtschaftliches Leben freier gestalten und ihren Wohlstand verbessern. Die Gewerbeproduktion nahm zu. Langsam richteten sich Bulgariens Handelswege nach Europa aus.

Mineralbдder von Sofia, A. Momtschilov
Mineralbäder von Sofia, A. Momtschilov

lm Unterschied zu früheren europäischen Prozessen begann die "bulgarische Wiedergeburt" in kleinen Siedlungen, die abseits der administrativen und militärischen Zentren der Osmanen lagen. Den Lebensunterhalt der Burger machte das gut entwickelte Handwerk und der damit verbundene Handel aus. So flossen neue bürgerliche Elemente in den Alltag und in die Kultur ein. Es stellten sich auch neue ästhetische Ideale ein, die die aufklärerischen, nationalen und revolutionären Tendenzen der bulgarischen Gesellschaft widerspiegelten. Diese Ideale formten auch die Architektur, die im Zuge der "Bulgarischen Wiedergeburt" entstand: In allen Gebieten kam, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität, das Bestreben zum Ausdruck, sich dem "Europäischen" anzuschließen.

In den Siedlungsstrukturen wurden Handels - zonen und Handwerkerstraßen ausgebildet. Öffentliche Bauaufgaben wie Schulen, Kirchen und Uhrtürme prägten die Stadtzentren neu. Von nun angehörten neben den Minaretten zur Stadtsilhouette die Glockentürme der christlichen Kirchen. Der Kirchenbau repräsentierte das nationale Selbstbewusstsein, wobei die Veränderung in der Kirchentypologie und die "Wiedergeburt" der Dreischiffkirche in der Mitte des 18. Jahrhunderts Zeichen für den Übergang zur neuen Zeit wurden. Die bürgerlichen Wohnungen waren multifunktional: Sie mussten sowohl die Wohnbedürfnisse der Familie befriedigen, auch für die handwerkliche Produktion und der Handel geeignet sein. Ihre repräsentative Funkti - on wurde innen und außen von reicher dekorati - ver Malerei unterstrichen und von Möbeln und kunsthandwerklichen Gegenständen, die aus Budapest, Bukarest und Wien importiert wurden.

Markthalle von Sofia, ca. 1900
Markthalle von Sofia, ca. 1900

Seit dem 19. Jahrhundert orientierte sich die bulgarische Kultur an der europäischen Entwicklung. Sie adaptierte dabei modernste Entwicklungen in der Verwaltung und der Staatsorganisation, im Justizwesen, Bildungs- und Schulwesen und im Bauwesen. Schon vor der Jahrhundertwende kehrten die ersten bulgarischen Architekten aus Wien, Prag und Brüssel zurück. So vermittelten die Tradition der angesehenen Architekturschulen und Züge der neuen Avantgarde der Sezession. lm Laufe von zwei Jahrzehnten gewannen die großen bulgarischen Städte - die Hauptstadt Sofia, Plovdiv, Pleven, Russe und die Hafenstädte am Schwarzen Meer das Aussehen mitteleuropäischer Städte.

Waren die ersten zwei Jahrzehnte nach der Befreiung 1878 eine Zeit des unerhörten Aufschwungs auf allen Lebensgebieten, brachte der Beginn des 20. Jahrhunderts die ersten Enttäuschungen dessen, was in der Zeit der "Wiedergeburt" erträumt wurde: Das Eindringen fremder Firmen, Banken und Handelsvertretungen, die Einfuhr ausländischer Waren, mit denen bulgarische Hersteller nicht konkurrieren konnten und der Verlust der Ostmarkte führte zum Ruin ganzer Bevölkerungsschichten und erweckte gegenüber "den Befreiern" und den "ausländischen Gönnern" Misstrauen. Die bulgarischen Intellektuellen erhielten ihre Ausbildung in Europa und Russland, und mussten feststellen, dass ihre Vorstellungen einer "freien Welt" naiv waren. Die Enttäuschung darüber, dass Freiheitsgewinn nicht zur Lösung aller Probleme führte, veranlaßte viele Bulgaren, Halt beim "echten Bulgarischen" zu suchen - bei allem, was aus der Tradition kam. Das Interesse an bulgarischer Geschichte und Folklore stieg und in der Architektur wurde für kurze Zeit eine Richtung mit nationalromantischer Schattierung ins Leben gerufen, die als "bulgarischer Stil" bezeichnet wurde. Wenn er auch Widerhall der avantgardistischen Architektur der Sezession war, wurde er doch vor allem von der mittelalterlichen Bauornamentik Messembrias inspiriert. Erst die Zerstörungen des Ersten Weltkrieges eröffneten Bulgarien den Weg zur modernen Architektur, die sich an europäischen Vorbildern orientierte und zugleich über eine eigene Ausdruckssprache verfügte, in der das Westliche und das Östliche miteinander verbunden wurde.

Am Vorabend des 21. Jahrhunderts gilt es, die Auseinandersetzungen zwischen allen Völkern in Europa zu beenden. Urn die europäische Kultur als Ergebnis einer jahrtausendelangen Sammlung weiter zu entwickeln, könnte sich die Erfahrung des europäischen Südostens als besonders nützlich erweisen. Glaubenstoleranz, Toleranz gegenüber ethnischen Unterschieden und ein ideenreicher lnformationshintergrund, dem vielfältige kulturelle Einflüsse und Kulturtechniken zugrunde liegen, und eine große Anpassungsfähigkeit an historische Gegebenheiten sind gute Ausgangspunkte für neue kulturelle Strukturen im vereinten Europa.

Kathedrale Alexander Newski in Sofia. A. Pomeranzev, 1915

Kathedrale Alexander Newski in Sofia. A. Pomeranzev, 1915

 

 

ANMERKUNGEN

1. Die Namen der bedeutendsten thrakischen Stämme und ihre Siedlungen sind erhalten geblieben: Tribalen besiedelten heutiges Nordwest-bulgarien, die Serden den Mittellauf des Iskar, die Denteleten die Gegend um den Fluss Struma. Die Menden lebten südlich von den Serden, der Oberlauf des Iskar, das Vitoscha- und Rilagebirge sowie das heutige Sofioter Tal wurde von Besen besiedelt; entlang der Mesta lebten die Satren, am Unterlauf des Vardar die Migdonen; die Diobesen besiedelten die Gebiete an der Maritza; die Odrissen, die die mittlere und obere Maritza besiedelten haben ein eigenes Reich im 5. Jahrhundert v. Chr. gegründet. [back]

2. Die griechische Kolonisierung im 8. Jahrhundert v. Chr. umfasste die Ostküste des Schwarzen Meeres und reichte ins 7. und 6. Jahrhundert. Griechische Kolonien auf heutigem bulgarischen Boden sind: Apolonia, gegründet 610 v. Chr. (die heutige Stadt Sosopol); Istria gegründet 605 v. Chr; Odessos 570 v. Chr. gegründet (das heutige Varna); Kruni-Dionisipol (heute Nessebar); Anchialo (heute Pomorie) und Agatopolis (heute Achtopol). [back]

3. Den ersten Schritt zur Kolonisierung der Balkanhalbinsel unternahmen die Römer, indem sie ein Straßennetz aufbauten, das die ungestörte Fortbewegung ihrer Legionen nach Asien und Dakien sichern sollte. Die Hauptwege in diesem Netz waren die Via Singidunum, die die europäischen Provinzen von Rom mit den Ostprovinzen und über Singidunum (heute Belgrad) führte und verband Serdika (heute Sofia), Trimonzium (heute Plovdiv), Adrianopolis (heute Odrin) und Byzantion-Konstantinopel (heute Istanbul); die Via Egnazia - ein Weg mit derselben Orientierung, der sich die adriatische Küste entlang zog und danach über Sobi und Thessaloniki führte und Philippi (am Weißen Meer) um wieder Byzantion zu erreichen; auch die Straße der Donau entlang, deren Bau von Tiberius begonnen wurde, die den nördlichen Limes sichern und über die alten Straßen die Städte am Schwarzen Meer erreichen sollte. Einige zweitrangige Straßen überkreuzten die Rhodopen und das Hemusgebirge, führten an den Flüssen entlang und durch die Gebirgspässe. Bis heute sind Teile dieser Straßen erhalten geblieben. Einige der großen und modernen Straßen, wie die Autobahn Trakia, folgen mit kleinen Abweichungen noch immer den von den Römern bestimmten Trassen. [back]

4. Die reinen thrakischen Siedlungen an den römischen Straßen waren bemüht, römisches Aussehen zu erlangen. Beispiele sind Serdica (heute Sofia), Pulpudeva, Phillippopolis (heute Plovdiv), Beroe (heute Stara Zagora). Die griechischen Städtekolonien an der Schwarzmeerküste - Tomi, Apolonia, Odessos verwandelten sich zu großen Hafenstädten. An den Straßen entlang entstanden Kriegsgarnisonen und Straßenstationen, die zu Städten wurden: Bononia (bei Vidin), Raciaria (heute Dorf Artschar), Almus (heute Lom), Nove (heute Swistov), Seksagintaprista (heute Russe), Durostorum (heute Silistra) Kapidava und Dinogecia (heute in Rumänien) bildeten einen befestigten Gürtel entlang der Donau. Den strategischen Straßen entlang, im Inneren des Landes erheben sich die Städte Nicopolis ad Istrum, Nicopolis ad Nestrum, Montana, Abritus (heute Rasgrad). [back]

5. Wahrend seiner Rundreise durchquerte Paulus das heutige Griechenland. Mit seinen Botschaften gewann er Tausende von Anhängern auf der Balkanhalbinsel für die neue Religion (Brief an die Korinther, Brief an die Phillipper, Brief an die Thessaloniker). Eine der bis heute erhaltenen Legenden rechnet Phillippopolis (heute Plovdiv) zu den Städten, in denen Paulus gepredigt haben soll. Dabei ist bis heute der Stein erhalten, der ihm als Kanzel gedient haben soll. [back]

6. lm Jahre 395 war der Imperator Theodosius I. gestorben, der vor seinem Tod das Reich ins östliche Rom mit der Hauptstadt Konstantinopel und ins westliche mit der Hauptstadt Rom geteilt hatte. Der Balkan gehörte fortan zum oströmischen Reich und wurde zu seiner Ostprovinz. Das Leben in den Grenzen des Byzantinischen Reiches begann mit dem Krieg gegen die Hunnen, die in Misien und Thrakien geplündert hatten. Nach dem Tod ihres Anführers Attila zogen sich die Hunnen zurück, um Raum für die friedlichen Eroberungen der Slawen auf der Halbinsel zu machen. Ende des 5. Jahrhunderts und zu Beginn des 6. Jahrhunderts gaben sich die Slawen mit zeitweiligen Überfallen und Raubzügen zufrieden, unterstützten einige Prätendenten auf dem byzantinischen Thron mit ihrem Heer, schlossen Bündnisse mit den Havaren und trugen zur Zerstörung des Festungsgürtels an der Donau bei. So haben sie ihre Übersiedelung auf den Balkan gesichert und wurden zur Hauptbevölkerung auf der ganzen Halbinsel. [back]

7. Zu Zeiten von Boris I. (853-889), genannt der Große, bulgarischer Chan und später Fürst, nahm der bulgarische Staat die christliche Religion an. Dieser entscheidende Schritt des Herrschers vereinte die slawisch-bulgarische Bevölkerung und war gegen die Widerstand leistende protobulgarische Aristokratie gerichtet, die die heidnischen Traditionen nicht aufgeben wollte. 865 wurde die ostchristliche Religion unter der Schirmherrschaft von Byzanz angenommen und der Hof mit Zwang zum Christentum bekehrt. Der anschließende Aufstand wurde grausam unterdrückt. [back]

8. Das Lateinische Imperium wurde von Kreuzrittern des 4. Kreuzzuges im Jahre 1204 gegründet und dauerte bis 1261. Sein erster Imperator Balduin wurde vom bulgarischen Zaren Kalojan in der Schlacht von Odrin 1205 gefangengenommen und starb wahrscheinlich als Gefangener in Tarnovo. Sein Neffe Balduin II. war der letzte lateinische Imperator von Konstantinopel und wurde von Michael Paläologos verjagt. [back]

9. Die Heiligen Kyrill und Methodius, die Schöpfer des slawischen Schrifttums, dessen Verbreiter sie wurden, sind in Thessaloniki geboren - Konstantin (Kyrill) 827 und sein Bruder Methodius 825. Sie waren slawischer Abstammung. Sie schufen das erste bulgarische Alphabet und übersetzten die wichtigsten Kirchenbücher aus dem Griechischen ins Slawische. Vom byzantinischen Imperator wurden sie nach Mahren gesandt, um dort eine Nationalkirche zu gründen. [back]

10. Wahrend der osmanischen Überfälle auf die bulgarische Hauptstadt wurde die Verteidigung vom bulgarischen Patriarchen Eftimij organisiert. Nach der Eroberung von Tarnovgrad wurde er verbannt, wodurch die bulgarische Kirche ihre Unabhängigkeit verlor und die Bulgaren nach dem osmanischen Recht zur Rajah - rechtloser Bevölkerung - wurden, ohne Vertretung im Hauptverwaltungsorgan "Diwan", wo sonst jede Nationalität durch das Kirchenoberhaupt vertreten war. [back]

11. 1529 hatte Suleiman II. (1495-1566), der Herrliche, nach der Eroberung von Belgrad, Mochatsch und Budapest mit einem Heer Wien umzingelt. Nach zwanzig misslungenen Angriffen wurde er gezwungen, die Umzingelung aufzugeben und sich zurückzuziehen. Diese erste Niederlage zog weitere nach sich wie die Seeschlacht bei Lepanto; in der Folge verloren die Osmanen im 17 Jahrhundert ihre Territorien in Mitteleuropa. Die Kriegsverluste ließen die Haupteinkünfte der Haushaltskasse des Reiches versiegen. Von nun an mussten sie durch Bodensteuern gefüllt werden, die von den unterjochten Völkern eingeholt wurden, die die produzierende Bevölkerung des Osmanischen Reiches waren. Wenn es auch Halbmaßnahmen waren, wurden dadurch wirtschaftliche Prozesse gefördert, die den Balkan zur Getreidekammer des Reiches werden ließen und Handwerk und Handel zur Blüte brachten. [back]

 

 

© Маргарита Коева
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© Електронно издателство LiterNet, 13.04.2008
Маргарита Коева. Архитектурното наследство и съвременният свят. Сборник студии и статии. Варна: LiterNet, 2003-2012

Други публикации:
Der Architekt, 1998, № 1.